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Bundeskabinett für Gentests an Embryonen

Über die Präimplantationsdiagnostik hat das Bundeskabinett im November 2012 eine Verordnung erlassen, die wesentlich mehr Rechtssicherheit schafft, dennoch aber umstritten bleibt, wie der SPIEGEL in seiner Online-Ausgabe unter http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/pid-kabinett-erlaubt-gentests-an-embryonen-vor-der-einpflanzung-a-867200.html berichtet. Prinzipiell wurde jedoch mehr juristische Sicherheit geschaffen, zudem bestehen sehr hohe Hürden für die möglichen PID-Verfahren.

Spezialisierte Zentren und Ethikkommissionen

Die Präimplantationsdiagnostik, mit der Erbschäden von künstlich befruchteten Embyonen festgestellt werden können, kann in Zukunft unter strengen Auflagen durch spezialisierte medizinische Zentren durchgeführt werden. In jedem Fall wacht eine Ethikkommission darüber, wie mit den befruchteten Eizellen verfahren wird. Sollte ein Embryo tatsächlich schwere Gendefekte aufweisen, kann er unter bestimmten Umständen verworfen werden. Dieser Vorgang und die PID selbst bleiben aber Ausnahmen im strengen deutschen Medizinrecht, und selbst diese Ausnahmen sind nach wie vor umstritten. Der Bundesrat hat der Verordnung noch nicht zugestimmt, ob es eine Mehrheit gibt, bleibt abzuwarten. Kritiker fordern eine einzige deutsche Ethikkommission, um einen innerdeutschen PID-Tourismus zu verhindern. Bislang werden voraussichtlich die Länder jeweils eigene Kommissionen einrichten.
Bei dem PID-Verfahren können bereits befruchtete Eizellen, aber in einem speziellen Verfahren auch nur die unbefruchtete Eizelle auf Erbschäden untersucht und unter eng definierten Voraussetzungen verworfen werden. Das geschieht, bevor sie in die Gebärmutter eingepflanzt werden, und ist nach derzeitiger Rechtslage in Deutschland eigentlich verboten. Doch schon das PID-Gesetz von 2011 ließ eng begrenzte Ausnahmen zu, die durch die gegenwärtige Verordnung nochmals erweitert wurden. Gleichzeitig zielt die Verordnung darauf, die Organisation dieser Ausnahmen zu regeln, wobei die spezialisierten Kliniken und die Ethikkommissionen eine zentrale Rolle spielen. In Zukunft dürfte PID möglich sein, Ethikkommissionen der Länder würden über jeden Einzelfall innerhalb von drei Monaten entscheiden. Für die Einzelentscheidung genügt jeweils eine einfache Mehrheit innerhalb der Kommission.

Pro und Kontra zur PID

Während einige Ministerpräsidenten die Verordnung kritisierten und dem FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr eine unzulässige Erweiterung des PID-Gesetzes vorwarfen, begrüßten Ärzte und andere Politiker wie Gesundheitsstaatssekretärin Ulrike Flach (ebenfalls FDP) die Verordnung. Sie schaffe für die betroffenen Paare endlich Rechtssicherheit, denn die Ausnahmen des bisherigen Gesetzes seien zu eng gefasst gewesen. Bislang waren der Gentest und erst recht ein Verwerfen befruchteter Eizellen nur zulässig gewesen, wenn eine Totgeburt, Fehlgeburt oder sehr schwere, klar prognostizierbare Erbschäden gedroht hätten. Die „Aufweichung“ des Gesetzes könnte nun ein erster Schritt zu designten Babys sein, fürchten Kritiker vor allem der Katholischen Kirche, doch Ulrike Flach widersprach dem und wies medialen Druck auf die Entscheidungsträger zurück. Unterstützung erhalten Bahr und Flach vorrangig von Medizinern. Der Lübecker Gynäkologe Klaus Diedrich hatte zuletzt im Herbst 2012 auf die schwierige Situation hingewiesen, in der sich betroffene Paare befänden. Diese weichen daher oft in europäische Nachbarländer mit liberaleren Regelungen aus.

PID-Verfahren

Drei Verfahren kommen für die PID nach gegenwärtigem Erkenntnisstand infrage, nur bei den zwei ersten Verfahren wird tatsächlich ein Embryo nach medizinischer und juristischer Definition untersucht. Im dritten Fall betrifft die Untersuchung die Eizelle allein, was genetisch ungenauer ist (der Vater bleibt außen vor), aber rechtssicher ist.

  • Verfahren 1: Hier wird eine Diagnose im Blastomerenstadium der im Reagenzglas befindlichen befruchteten Eizellen vorgenommen. Zwei oder auch nur eine Zelle genügen, das Erbgut wird auf Erbkrankheiten wie etwa die Chromosom-21-Anomalie (Down-Syndrom) untersucht. Einzelne Genveränderungen könnten ebenso Stoffwechsel-, Lungen-, Bluter- und Muskelkrankheiten betreffen. Zu entscheiden wäre anschließend, ab welchem Gendefekt der Embryo – denn das ist er nach Legaldefinition – verworfen wird.
  • Verfahren 2: Analyse im Blastozystenstadium, wobei der Embryo schon bis zu 200 Zellen besitzt, die in der inneren Zellenmasse pluripotent, also in verschiedene Richtungen entwicklungsfähig sind. Dieses Verfahren ist eigentlich verboten, ein Berliner Arzt hatte es angewendet und war damit vor Gericht gelandet.
  • Verfahren 3: Polkörperdiagnostik mit ausschließlicher Untersuchung der Eizelle vor der Befruchtung. Die Polkörper der Eizelle können auf mütterliche Erbanlagen untersucht werden, bei Bedenken hinsichtlich möglicher Chromosomen-Fehlverteilungen könnte die Befruchtung ausgeschlossen werden. Das väterliche Erbgut wird zwar hierbei nicht untersucht, die Methode ist aber in Deutschland legal, da kein Embryo untersucht wird.

Der Ethikrat hat die Verordnung inzwischen kritisiert, unter anderem solle eine einheitliche deutsche Ethikkommission über alle Fälle entscheiden. Auch viele andere Punkte stießen auf große Bedenken der Ethikbeauftragten, sodass die Zustimmung des Bundesrats (voraussichtlich im Frühjahr 2013) mit relativ großer Spannung erwartet wird.

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