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Beschränkte Zulassung der Präimplantationsdiagnostik

Nach der abschließenden Debatte im Bundestag zur Präimplantationsdiagnostik am 07. Juli 2011 gibt es enttäuschte und zufriedene Gesichter. Vor allem aber gibt es eines, das lange gefehlt hat: Rechtssicherheit. Nachdem der Bundesgerichtshof in Karlsruhe im vergangen Jahr einen Arzt freigesprochen hatte, der die PID angewendet und sich dann schließlich selbst angezeigt hatte, war das Verfahren faktisch erlaubt. Die Politik erkannte die Handlungsnotwendigkeit und beendete das monatelange Tauziehen und den emotional geführten Austausch von Argumenten mit seiner Entscheidung am Donnerstag.

Emotionale Debatte im Bundestag

Aufgrund der besonderen ethischen und moralischen Tragweite der Entscheidung, die bei vielen Politikern durch individuelle Einstellungen und Erlebnisse geprägt ist, konnte ein parteiübergreifender Konsens erreicht werden, den Fraktionszwang aufzuheben. Politiker aller Couleur stand die Entscheidung in der „Gewissensfrage“ frei und es wurde Gebrauch gemacht von dieser selten vorhandenen moralischen Freiheit im Parlament. Etwa 170 Abgeordnete hatten vor der Debatte angegeben, noch keine Entscheidung in der Frage gefällt zu haben. Die Mehrheit ließ sich von den Argumenten der Befürworter überzeugen.
Selten wurde eine Debatte im Bundestag so emotional geführt. Mehrere Abgeordnete führten persönliche Schicksale und Erlebnisse in ihre Argumentation mit ein. Steffen Bockhahn etwa, Abgeordneter der Linken, blieb immer wieder die Stimme weg, als er sich bei seinem Plädoyer für die Zulassung der PID als „glücklichsten Vater der Welt“ beschrieb. Dieses Glück sollten auch diejenigen erfahren dürfen, die aufgrund von Erbkrankheiten zweifelten, ob sie Kinder bekommen sollten. Solche persönlichen Worte fielen immer wieder während der vier Stunden andauernden Debatte. SPD-Generalsekretäring Andrea Nahles erzählte von ihrem „lange Zeit unerfüllten Kinderwunsch“, während Maria Michalk von der CDU ihre eigenen Fehlgeburten thematisierte. Beide sprachen sich gegen die PID aus, während Karin Evers-Meyer (SPD) aus ihrem eigenen Schicksal, namentlich der Geburt eines schwerbehinderten Sohnes, einen anderen Schluss zog. Sie wolle zwar jeden ermutigen, ein behindertes Kind großzuziehen, aber niemanden dazu zwingen. Sie sprach sich daher für eine begrenzte Zulassung der PID aus. Rudolf Henke von der CDU hingegen verwies auf das Schicksal seines Bruders, der keine fünf Stunden gelebt, den er aber noch jahrzehntelang am Grab besucht habe. Auch Ursula von der Leyen, selber Mutter von sieben Kindern, verwies auf ihre eigenen Erfahrungen als junge Ärztin auf der Geburtsstation und warb im Sinne des Vertrauens für die werdenden Eltern für die PID.

Die Alternativen der Abstimmung

Inhaltlich gesehen ging es bei der Debatte um drei eingebrachte Vorschläge, über die am Ende abgestimmt werden musste.
Bei dem Antrag pro PID ging es im Kern um eine streng begrenzte Zulassung von Gentests an künstlich erzeugten Embryonen. Grundsätzlich solle das Verfahren verboten bleiben, bei Ausnahmefällen das Verbot aber aufgehoben werden können. Diese Fälle treten dann in Kraft, wenn die Eltern eine Veranlagung für ein schweres Erbleiden haben oder eine Tot- oder Fehlgeburt droht. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, müssten Eltern sich beraten lassen und am Ende den Antrag an eine Ethikkommission weitergeben, die schließlich das Verfahren bewilligt oder nicht.

Die zweite Option war ein striktes gesetzliches Verbot. Dessen Befürworter wiesen darauf hin, dass die Würde des Menschen bereits im Reagenzglas, also auch vor der Einpflanzung eines Embryos in den Mutterleib, vorhanden sei. Sie warnten vor einer Verschiebung von Grenzen und einer Zukunft mit „Designer-Kindern“, da die theoretische Möglichkeit besteht, auch das Geschlecht und andere Merkmale über die PID erforschen zu lassen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bereits im Vorfeld angekündigt, dieser Argumentation zu folgen und gegen eine Zulassung der PID zu stimmen.

Der dritte Entwurf sah einen Kompromiss zwischen beiden Lagern vor. Die PID solle grundsätzlich verboten und in Ausnahmen erlaubt sein. Unterschied zum ersten Entwurf sind die strengeren Kriterien für die Zulassung des Verfahrens in Ausnahmefällen. Diese sollte lediglich für Paare in Kraft treten können, die eine genetische Veranlagung dafür haben, „dass Schwangerschaften in der Regel mit einer Fehl- oder Totgeburt oder dem sehr frühen Tod des Kindes innerhalb des ersten Lebensjahres enden“.

Die Abstimmung

Am Ende konnten sich die Befürworter einer begrenzten Zulassung der PID durchsetzen. 326 der 594 Abgeordneten stimmten für den Entwurf. Die Taktik der Gegner des Verfahrens könnte durchaus dazu beigetragen haben, dass der unentschlossene Teil der Abgeordneten die Seriosität des Standpunktes in Frage stellten. So kam es von der Gegnerseite zum Vorwurf des Aussortierens „lebensunwerten Lebens“, womit Eltern, Ärzte und Befürworter in die Nähe des Euthanasieprogrammes der Nazis gerückt wurden. Die düstere Zukunftsprognose von „Designer-Babys“ und dem Missbrauch ungeborenen Lebens als „Ersatzteillage“ für kranke Babys zielten ebenfalls in diese Richtung.

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